“Selbstauflösung der Vernunft als geistiger Substanz beruht auf innerer Notwendigkeit. Theorie heute hat den Prozeß, die gesellschaftlich bedingte Tendenz zum Neopositivismus, zur lnstrumentalisierung des Gedankens, sowie die vergeblichen Rettungsversuche zu reflektieren und auszusprechen.” (Horkheimer, Zur Kritik der instrumentellen Vernunft, 22)
Max Horkheimers erst 1967 auf Deutsch veröffentlichter, aber schon 1945 auf Englisch geschriebener Langessay Zur Kritik der instrumentellen Vernunft entfaltet wie kein anderer Text seine komplexe Diagnose einer subjektivistischen bzw. formalistischen Verengung von Vernunft bis zu jenem Umschlagpunkt und über ihn hinaus, an dem sie unvernünftig und damit unterdrückerisch wird. Dieser Vorgang, so macht Horkheimer deutlich, lässt sich zwar ideengeschichtlich herausarbeiten, hat jedoch sozioökonomische Ursachen; wer diese ignoriert, und sei es in gut gemeinten Rettungsversuchen einer objektiven Vernunft, bekämpft bestenfalls Windmühlen. Horkheimer verknüpft so seine Überlegungen zur Theorie als sozialer Praxis mit den gemeinsam mit Theodor W. Adorno erarbeiteten Thesen zur Dialektik der Aufklärung.
Im Seminar steht die gründliche Lektüre von Zur Kritik der instrumentellen Vernunft im Zentrum, an dem wir insbesondere Horkheimers eigene Fassung einer sozialen Erkenntnistheorie und der daraus gewonnenen kritischen Gesellschaftsdiagnose diskutieren wollen. Dazu lesen wir ergänzend frühere Texte sowie Reaktionen auf Horkheimers Überlegungen, die diese kritisieren und/oder fortführen. Bitte beschaffen Sie sich den Text von Zur Kritik der instrumentellen Vernunft vor Anfang Mai, am besten in folgender Ausgabe: Horkheimer, Max 2007: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft. Frankfurt a. M.: Fischer.
Preparatory Reading
Benhabib, Seyla, Wolfgang Bonß und John McCole (Hrsg.) 1993: On Max Horkheimer. New Perspectives. Cambridge, MA/London: MIT Press.
Horkheimer, Max 1988 [1933]: Materialismus und Metaphysik, in ders.,* Gesammelte Schriften Band 3: Schriften 1931–1936*. Hg. von Alfred Schmidt. Frankfurt a. M.: Fischer, 70–105.
Reijen, Willem van (Hg.) 1987: Horkheimer zur Einführung. 2., überarb. und erw. Auflage. Hamburg: Junius.
Schmidt, Alfred und Norbert Altwicker (Hrsg.) 1986: Max Horkheimer heute: Werk und Wirkung. Frankfurt a. M.: Fischer.
Schiller, Hans-Ernst 2019: Die Perspektive des Denkens: Horkheimers Begriff der Vernunft, in Uwe Bittlingmayer, Alex Demirovic und Tatjana Freytag (Hg.): Handbuch Kritische Theorie. Wiesbaden: Springer VS, 1–27.